Lehmestrich, seine Eigenschaften und Anwendungsmöglichkeiten

Bereits in Hünengräbern wurden Lehmestriche gefunden. Auch in der neuen Zeit fanden Lehmestriche in Kellern noch Anwendung, bis sie 1971 aus den Normen in Deutschland verschwanden. Seit 2013 gibt es sie wieder.

Was ist Lehm?

Lehm ist ein Sediment, das aus einer chemischen Gesteinsverwitterung hervorgegangen ist. Es besteht aus Ton und Quarz und ist vermischt mit Kalk und Eisenverbindungen

Lehm ist, anders als Ton, nicht so plastisch. Lehm, der tonreich ist, wird als fett bezeichnet und Lehm, der tonarm ist, als mager. Lehm und Ton sind ähnlich. Beim Ton sind die Teilchen kleiner als 0,002 mm. Lehm dagegen enthält Teilchen, die verschiedene Korngrößen haben. Von ganz klein bis etwa 20 Millimeter.

Lehm quillt bei Wasserzufuhr auf und reduziert sich beim Trocknen wieder. Ist der Lehm feucht, kann er geformt werden. Die Form bleibt, wenn der Lehm getrocknet ist.

Lehmestrich, die Anwendungsmöglichkeiten

Lehmestrich kann vielfältig eingesetzt werden. Unter anderem

  • in Kellerräumen
  • auf Dachböden
  • in Scheunen
  • in Obst- und Gemüselager
  • als Fußboden.

Lehmestrich ist ein ausgezeichneter Boden, der feuchtigkeitsregulierend ist und das Raumklima verbessert. Klassisch wird Lehm mit einem Zwangsmischer unter Zusatz von Wasser, Gerstenspreu und Häcksel erdfeucht gemacht, gemischt und dann aufgetragen. Anschließend wird er fest gestampft. In alten Zeiten gab man noch Kuhhaare dazu. Ist der Lehmanteil zu fett, aufgrund eines hohen Tonanteils, kann er mit Sand mager gemacht werden. Treten Risse auf, müssen diese nachgestampft werden. Wird harter Estrich gebraucht, fügt man Asche zu. In landwirtschaftlichen Gebäuden fand Lehmestrich eine Anwendung mit einer Stärke von sechs bis zehn Zentimeter und einem Gewicht von 120 bis 200 Kilogramm pro Quadratmeter. Heute ist das alles viel einfacher, denn man kann Lehmestrich heute schon fertig kaufen.

Ein Ausflug in die Geschichte des Lehmestrichs

Wissenschaftlich nachgewiesen werden konnte Lehmestrich ab dem Jahr 5000 vor Christus im Nahen Osten. In Europa seit 4500 vor Christus. Angewendet wurde Lehmestrich damals in Lagerhäusern. Bereits 5000 vor Christus fanden sich in Hünengräbern Fußböden, die aus einer Unterschicht aus Rollsteinen und einer Oberschicht aus Lehmestrich bestanden. Genannt wurde das Ganze ‘Diele’. Ein Begriff, den wir auch noch heute kennen. Auch Lehmplatten wurden als Fußboden verwendet, die bereits verfugt wurden. In Scheunen und Tennen wurde er bis in die Neuzeit verwendet, aber auch in Wohnräumen. Anwendung fand er direkt auf einem Erdboden genauso, wie auf einer Holzbalkendecke. Diese Anwendung war gut für den Schall- und Brandschutz. Bis in die Neuzeit hinein, hatte jeder Bauernhof eine eigene Lehmgrube, damit Lehmarbeiten selbst ausgeführt werden konnten.

Die Arten der Ausbringung von Lehmestrich

Handwerker unterscheiden zwei Methoden, um Lehmestrich aufzubringen:

  1. die nasse Methode
  2. die trockene Methode.

Bei der nassen Methode wird der Lehm mit Wasser gemischt, bis er eine weiche, breiige Konsistenz hat. Das kann heute mit einem Mischer geschehen. Früher hat man einfach Lehm und Wasser in eine Grube geschüttet und das Ganze mit den Füßen gestampft. Manchmal hat man dafür auch eine Kuh genommen und sie im Kreis laufen lassen. Ist der Lehmestrich breiig, kann er aufgebracht und verlegt werden. Während des Trocknens entstehen immer wieder Risse, die wieder zu gestampft werden müssen. Wer sie akzeptiert, wird erleben, dass sich die Risse im Laufe der Zeit durch die Nutzung von allein schließen.

Das braucht allerdings viel Zeit.

Bei der trockenen Methode ging man historisch, wie folgt vor. Der Lehm wurde ausgegraben und in einzelnen Schichten von etwa acht Zentimeter auf der Fläche verteilt. Dann wurde er mit hölzernen Schlegeln solange geschlagen, bis keine Eindrücke mehr zu sehen waren. Im Endzustand hatte der Boden eine Dicke von etwa 30 Zentimetern. Meist in Scheunen und Lager. Bei Wohnräumen wurde eine Dicke von 15 Zentimetern als ausreichend empfunden. Balkendecken waren mit acht Zentimetern ausreichend belegt. Die Risse, die sich nach dem Trocknen zeigten, wurden wieder mit dem Schlegel zugeschlagen. Jede einzelne Schicht wurde so bearbeitet. Die ‘Versiegelung’ des Bodens bildete den Abschluss, der sich unterschiedlich gestalten konnte.

Je nachdem, ob der Lehm fett oder mager war, haben sich unterschiedliche Methoden entwickelt. Die einen haben den Lehm vor dem Einbau fein zerkrümelt und ihn dann gleichmäßig eingebaut, die anderen haben große Lehmklumpen auf dem Boden aufgebracht und diese dann zerhackt und festgestampft.

In einer Enzyklopädie der Wissenschaften und Künste aus dem Jahr 1843 wurde folgende Anleitung zur Verarbeitung von Lehm gefunden:

„Das Verfahren auf dem nassen Wege wird wie folgt gelehrt. Man grabe den Boden da, wo es nötig ist, wo nämlich die Tenne mit der äußeren Bodenfläche waagrecht oder doch nur ein Wenig über derselben erhöht liegen soll, etwa 1 Fuß tief und darüber aus, ebne die Grundfläche und fülle das Ganze mit kleinen Kieseln. Die eben gerecht und fest zusammengestoßen werden. Über diese Kiesellage bringe man eine etwa 4 Zoll dicke Lage trockenen, klein geschlagenen Thones und stampfe diesen fest. Darauf schütte man nach und nach mit Wasser verdünnten Thon, so wird sich die Feuchtigkeit in die untere trockene

Lage hineinziehen und die obere leicht erhärten. Hier aber entstehen Risse; diese schlägt man jetzt mit Pritschbläueln sorgfältigst zusammen, bis die Oberfläche vollständig geebnet und der Estrich trocken ist. Nun nimmt man Rindsblut, zur Hälfte mit Wasser und mit dem feinsten Thone vermischt, und trägt diese Mischung mit einem Maurerpinsel auf. Wenn dieser Überzug trocken ist, wiederhole man ihn noch einige Male, und so lange bis keine Risse mehr sichtbar werden.“

Die Qualität des Lehmestrichs verbessern

Wird der Lehmestrich nicht ‘versiegelt’ verstaubt er und ist empfindlich gegenüber Kratzern. Deshalb gibt es Methoden, die Qualität zu verbessern:

  1. Die Faserbewehrung: Wie bei der nassen Methode schon benannt, wird alles, was faserig ist, dem Lehm beigemengt. Das kann beim Strohäcksel anfangen und beim Tierhaar enden. Dadurch werden große Risse vermieden. Stattdessen bilden sich viele Kleine, die leicht zu schließen sind.
  2. Die Polymermodifizierung: Eine weitere Verbesserung wurde durch das Beimengen von Tierblut erreicht. Verdünnt wurde es im Verhältnis 1:2. Diese Mischung wurde beim Schlagen auf die Oberfläche mit eingearbeitet. Alternativ wurde Milch oder Milchprodukte angewendet. Auch Urin war geeignet und fand Anwendung.
  3. Die Hartstoffeinstreuung: Auch Sand wurde auf die Oberfläche gestreut und dann eingestampft. Diese Art fand Anwendung sowohl bei der nassen als auch bei der trockenen Methode. Heute nennt man das eine integrierte Verschleißschicht. In Ostpreußen wurde dieser Vorgang einmal im Monat wiederholt und dafür feiner weißer Sand verwendet.
  4. Die Imprägnierung: Die Oberfläche des Lehms ist nach dem Einbringen von Lehmestrich staubig. Das sowohl bei der nassen als auch bei der trockenen Methode. In der Küche wird der Lehmestrich nach einiger Zeit eher speckig aussehen. Der Staub ist verschwunden. Den gleichen Effekt kann man erreichen, wenn in die Oberfläche Fette oder Leinöl eingebracht werden.

Lehmestrich in der heutigen Zeit

Heute kommt als Lehmestrich meist die trockene Methode zum Einsatz. Es handelt sich dann um den sogenannten Stampflehmboden. Das zu verarbeitende Material wird feinkrümelig und erdfeucht geliefert und in einem Zwangsmischer klein gemacht. Der Dachverband Lehm e.V. steht bei Fragen zum Lehmestrich in Bezug auf Eigenschaften und Anwendungsmöglichkeiten gern zur Verfügung.

Fazit

Lehmestrich hat heute wieder viele Anwender und ist für das Raumklima ein Segen.



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